RS 1 – Die verplante Verkehrswende

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Wir sind ja im Ruhrgebiet manchmal nicht ganz so schnell mit der Verkehrswende, auch wenn wir eigentlich seit Jahren wissen, dass wir nur so der Platznot in Innenstädten, den vielen Emissionen und den ewigen Blechlawinen entkommen. Dann kam im Jahr 2013 der Radschnellweg Ruhr (RS1) – verknüpft mit vielen Hoffnungen auf den Start einer Mobilität ohne Auto. Er kam? Leider nicht, denn die praktikable Lösung für Berufspendler, Freizeitradler und einen Impuls für gelungenen Städtebau im Eltingviertel bleibt weiterhin auf der Warteposition!

Worum geht es nochmal?

Eltingviertel mit Bahndamm, Evonik rechts (Quelle: Geoportal Essen)

Der Radschnellweg Ruhr soll durch die Stadt Essen führen, an Evonik (rechts im Bild) vorbei, durch das Eltingviertel (links im Bild, ober und unterhalb der Bahnlinie) und an die Radwegeführung vor der Universität Duisburg-Essen anschließen (das Audimax sehen Sie links unten in der Bildecke). Dazu muss die Bahnlinie, die nur noch zur Hälfte für Rangierarbeiten von Evonik dient, abgebaut werden, Evonik bekommt eine neue Gleisführung zur Abwicklung ihrer Logistik und im Eltingviertel kann anstelle des Bahndamms nicht nur der Radweg, sondern auch noch Häuser gebaut werden. Platz genug wäre da.

Wo ist denn das Problem?

Es geht nicht voran! Seit nunmehr 10 Jahren wird Pingpong gespielt, wer denn eigentlich für Planung und Ausführung zuständig ist. Einige slapstickreife Aktionen gab es zusätzlich oder wie ist es zu begründen, dass in Kray auf einmal Masten auf der Trasse des Radwegs aufgestellt werden? Oder die Stadt Essen visionäre Pläne zur Stadtentwicklung hat, indem sie den Radweg DURCH ein Haus führen lässt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Bahntrasse, die immer noch nicht angepackt wird. Ich persönlich dachte, die DB spielt „Toter Mann“ und verbummelt mit der schleppenden Bearbeitung die Entwidmung des Schienenstrangs. Aber die Bahn kam noch gar nicht zum Zuge!

Verantwortung wird verschoben

Um herauszubekommen, wie es denn nun weitergeht, habe ich mit meinem Kollegen Frank Müller eine kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt und Erstaunliches erfahren:

  • Kray: Der Landesbetrieb Straßen.NRW hat als Aufgabenträger (ein Radschnellweg ist eine Landesstraße!) eine Entwässerung geplant, die unzureichend ist. Die Stadt Essen hat die Planung zurückgegeben, weil stellenweise ein zu hoher Grundwasserpegel vorhanden ist und das so nicht funktioniert. Das heißt Nacharbeiten und Verzögerung!
  • Eltingviertel: Ohne zurückgebauten Bahnanschluss kann es keinen Radweg geben. Dazu muss der Landesbetrieb aber eine konkrete Planung des neuen Gleisanschlusses beim Eisenbahnbundesamt abgeben. Konkret befinde „man sich in Abstimmung zwischen dem Landesbetrieb und der Stadt Essen“, um im II. bis III. Quartal 2023 (sic!) etwas einzureichen. Dann beginnt erst der Genehmigungsprozess bei der Bahn, die ihrerseits eine Planung erstellen muss.

Letztlich sieht das Zeitmanagement so aus, dass frühestens Ende 2025 mit dem Bau des Gleisanschlusses begonnen werden kann, wenn alles ideal läuft und keine Verzögerungen mehr auftreten. Die Flächen des Bahndamms könnten dann Anfang 2027 für weitere Zwecke freigestellt werden.

Raketenwissenschaften ist nichts gegen das Planungsrecht!

Michael Groschek, der ehemalige SPD-Verkehrsminister hat damals sehr begeistert von der Realisierung der Verkehrswende im Kleinen gesprochen und wohl mit uns allen erwartet, dass der Bau zügig läuft und er auch noch in seiner aktiven Zeit über den RS1 radeln kann. Die Planungsrealität unter den neuen Verkehrsministern hat ihn längst überholt!

Gerne würde ich jetzt Schuldige suchen und mit dem Finger auf den Landesbetrieb Straßen.NRW oder die Stadt Essen oder die Bahn zeigen. Aber das wäre zu einfach. Offenbar ist es mittlerweile nicht mehr möglich, in angemessener Zeit mit zwei anderen großen Partnern (Deutsche Bahn und Stadt Essen) ein Projekt so ordentlich durchzuplanen, dass in Kürze die Bagger rollen. Die Planung scheint so kompliziert zu sein, dass selbst der landeseigene Betrieb nicht in der Lage ist, eine Trasse frei von Masten zu halten oder den Grundwasserpegel zu berücksichtigen. Oder schlicht jetzt schon eine Gleisanschlussplanung einzureichen, damit wenigstens im Hintergrund schon mal bei den Partnern gearbeitet werden kann.

Die Stadt Essen würde allzu gern einen Bebauungsplan zur Entwicklung des Eltingviertels auf den Weg bringen. Aber auch hier muss abgewartet werden, bis Unterlagen zum Gleisanschluss vorliegen.

Könnte die Deutsche Bahn vorarbeiten? Bestimmt, aber auch die beruft sich auf fehlende Unterlagen vom Landesbetrieb. Und so kann man sich drehen und wenden, wie man will: Der eine schiebt es auf den anderen und immer landet es beim Landesbetrieb.

Visionen und Realitäten

Auf deren Homepage kann man sich bereits anzeigen lassen, wie die Strecke aussehen soll. Der Planungsstand wird mit „Entwurfsplanung“ beschrieben. Falsch! Seit der Antwort auf die kleine Anfrage wissen wir: Die Entwurfsplanung wird erst frühestens ab dem II. oder III. Quartal 2024 starten. Frühestens 2027 Baubeginn, dann noch 2,5 Jahre Bauzeit.

Projektatlas Straßen.NRW
(Quelle: https://strassennrw.projectatlas.app/rs1/streckenkarte/neu?map=51.463662,7.018538,15.12,0,0)

Nach dieser Antwort des aktuellen Verkehrsministers Krischer sind wir auf dem harten Boden der Planungsrealität angekommen. Wenn das alles ideal laufen sollte, wären zwischen Idee (2011) und Ausführung (2029/30) fast 20 Jahre vergangen. Man kann jetzt resignieren und dem Datum der Eröffnung entgegenfiebern. Man kann aber auch versuchen, zu beschleunigen.

Wir können uns keine Verzögerungen mehr leisten!

Macht Teilprojekte aus dem Ding! Arbeitet doch schon mal den Gleisbereich Eltingviertel ab, damit die Stadt endlich weiterarbeiten kann. Priorisiert diesen Radschnellweg stärker! Entschlackt das Planungs- und Genehmigungsrecht für zukunftsweisende Projekte im Verkehrsbereich!

Dieser Radschnellweg bricht in der nördlichen Innenstadt ganz neue Potenziale der Stadtentwicklung auf. Wohnungen können entstehen, Wirtschaftsbetriebe schneller angeschlossen werden. Die Menschen fahren auf durchgehenden Verbindungen ohne die lästigen und gefährlichen Unterbrechungen durch Hauptverkehrsstraßen. Kinder könnten sicherer zur Schule kommen. Der Autoverkehr würde abnehmen und die Luftverschmutzung sowie CO₂-Produktion  etwas bremsen. Wir können es uns nicht leisten, auf dieses Projekt länger zu verzichten.

Potenzial für die Essener Zukunft

Ich will nicht zurückschauen und mit den anderen Verantwortungs-PingPong spielen, ich will, dass Probleme angepackt werden! Wenn das Problem in der Planung liegt, müssen wir da dran! Wenn das Problem im Gesetz liegt, müssen wir auch da dran! Frank Müller und ich werden uns weiter kümmern! Wir brauchen in Essen dieses Zukunftspotenzial und wenn es die letzte und diese Landesregierung nicht für wichtig erachten: Uns ist es wichtig! Und das werden wir zeigen!

Wichtige Daten aus der Antwort des Verkehrsministeriums:

  1. Vorlage der Gleisanschlussplanung beim Eisenbahnbundesamt (EBA)
    zur Genehmigung: II. bis III. Quartal 2023
  2. Genehmigung der Gleisanschlussplanung durch das Eisenbahnbundesamt;
    Beginn der bahntechnischen Ausführungsplanung:
    II. bis III. Quartal 2024
  3. Fertigstellung bahntechnische Ausführungsplanung; Beginn Ausschreibung:
    IV. Quartal 2024
  4. Baubeginn Gleisanschluss: III. bis IV. Quartal 2025
  5. Bauende Gleisanschluss; Antrag Freistellung von Bahnbetriebszwecken:
    III. bis IV. Quartal 2026
  6. Flächen von Bahnbetriebszwecken freigestellt: IV. Quartal 2026 /
    I. Quartal 2027