Neue Wege: Mobilität und Städtebau zusammen denken

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Wer sich mit offenen Augen durch unsere Innenstädte bewegt, stellt schnell fest: Wir sind noch weit entfernt von einer echten, nachhaltigen Mobilitätswende. Mit Autos vollgestopfte Straßen, gefährliche Routen für Radfahrer, fehlende Fußgängerquerungen, schlecht beleuchtete Parkplätze und Bahnsteige, schmuddelige Bushaltestellen prägen das Bild unserer Innenstädte. Nach wie vor ist unser kompletter Verkehr auf das Auto ausgerichtet, während sich alles andere, egal ob Fuß, Rad oder ÖPNV, unterordnet. Eine klimafreundliche Mobilität zu gestalten und gleichzeitig den Nutzern in (großen) Städten gerecht zu werden, geht nur über eine gute Stadtplanung.

Mobilität als Grundrecht

Mobilität ist ein wesentlicher Bestandteil unseres alltäglichen Lebens: der Weg zum nächsten Supermarkt, zum Arzt, zur Post, zur Arbeit oder Schule, in den Urlaub, zu Freunden und Verwandten. Alle müssen mobil sein. Ich gehe sogar so weit: Mobilität ist ein Grundrecht! Denn nur wer mobil ist, kann auch an der Gesellschaft teilhaben. Das fängt beim Sportverein an und geht über kulturelle Angebote bis hin zum Erreichen von Ausflugszielen. Ganz zu schweigen davon, wie wichtig Mobilität für unsere Wirtschaft und damit für unseren Wohlstand ist. Es ist die Grundlage für vieles, was unser Land am Laufen hält. Gerade die „kleine Mobilität“, also alles was auf kurzem Wege erreicht werden kann, ist so unglaublich wichtig, damit die Menschen ihren Wohnort als attraktiv empfinden.

„Hey Mann, wo is mein Auto?“

Für die allermeisten Menschen ist das Auto das Fortbewegungsmittel Nr. 1. Entsprechend ist auch unsere gesamte Verkehrsinfrastruktur auf das Auto ausgerichtet – mit teils heftigen Auswirkungen: Blechlawinen ersticken die Innenstädte, kilometerweise Staus schleichen über die Autobahnen und wer zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, lebt oftmals gefährlich. Nicht nur das: Abgase und Lärm der noch oft fossil betriebenen Autos sorgen für Gestank und belasten die Gesundheit, während sie durch stetige CO²-Emissionen den Klimawandel antreiben. Gibt es einen Weg ohne Auto?

Der Mix macht viel aus

Natürlich geht’s mir nicht darum, das Auto komplett zu verbannen. Ich fahre selbst häufig genug aus Bequemlichkeit, aus Notwendigkeit, aus Zeitgründen Auto. Aber ich weiß, dass es besser geht! Das ist einfacher gesagt als getan, denn es ist ein bisschen wie mit der Henne und dem Ei: Denn das Auto genießt deswegen einen so hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft, weil es an alltagstauglichen, unkomplizierten Alternativen fehlt. Nicht umsonst gilt das Auto auch heute noch als Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. Es ist jederzeit verfügbar. Doch weil das so ist und dieses Denken so sehr in unseren Köpfen steckt, werden die Alternativen kaum gefördert. Erst in den letzten Jahren wird das Thema im Zuge von Klimawandel und Energiekrise intensiv diskutiert, so dass sich ein neues Denken in unserem Land breit macht und die Bereitschaft wächst, mehr Geld reinzustecken.

Veränderung im Städtebau muss den Verkehr flankieren

Fest steht, es muss sich etwas ändern und das so schnell wie möglich. Überdenken wir, wie viel Platz den Autos in Städten zur Verfügung steht und wie viel Platz den Menschen ohne Autos. Wo sind die Kinder, die in den vielen Mehrfamilienhäusern wohnen? Wann haben sie zuletzt Kinder draußen spielen sehen?
Ich will, dass Asphalt Grünflächen weichen muss. Dass Parkplätze anders organisiert werden und in den Straßenzügen mehr Luft und Freifläche zu finden ist. Bäume, Sträucher, Gras und Blumen sind nicht nur angenehm anzusehen, sondern tragen zur Bekämpfung des Klimawandels bei und kühlen die Städte an heißen Sommertagen ab; Autos heizen Städte auf, deswegen mehr Parks statt Parkplätze!

Wandel der Amsterdamstraat in Antwerpen zwischen 2009 und 2014.
Im Internet unter: https://www.urb-i.com/antwerp?lightbox=dataItem-ikj3oafi

Mit Sicherheit besser

Auch Sicherheit ist ein relevanter Aspekt beim Verkehr. Fußgänger haben es oft schwer, in der vorgegebenen Ampel-Umlaufzeit über die Straßen zu laufen, weil der laufende Autoverkehr nicht zu lange aufgehalten werden soll. Auch kommt es gerade in den Innenstädten häufiger zu Auffahrunfällen und Radfahren könnte dort manchmal als Extremsportart durchgehen.
Und warum Bus & Bahn in den Abendstunden weniger genutzt wird, hat auch häufig etwas mit der gefühlten Sicherheit an Fußwegen, Haltestellen und Verbindungswegen zu tun. Hier kann vieles verbessert werden, um mehr Menschen auf die Wege zu holen, damit die soziale Kontrolle funktioniert.

Unterführung; Copyright: Westwind

Entscheidungen sind fällig

Wir sind gerade am Scheideweg. Einerseits spüren wir jetzt schon mehr Extremwetterlagen und wissen um die schädliche Wirkung unserer Fortbewegung. Andererseits kommen wir doch aus den Ballungsräumen gar nicht gut ohne Auto zu unseren Zielen. Der öffentliche Verkehr ist völlig überfordert und die Städte sind sowieso aufs Auto ausgerichtet.

Ohne Ersatz für Autos wird niemand auf den eigenen Wagen verzichten. Also müssen Bus & Bahn deutlich ausgebaut, bequemer und zeitlich attraktiver werden. Solange der Bus/die Straßenbahn im selben Stau steht, wie die Autos, gibt es z.B. für Pendler keinen Anreiz für den Umstieg.
Die Stadt Wien dient mit ihrem öffentlichen Nahverkehr als Beispielstadt. Nicht umsonst wurde sie 2022 wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt. 

Mobilität für die Vielen, nicht die Wenigen

Jede und Jeder muss mobil sein können. Deswegen brauchen wir kostengünstige Tickets für den öffentlichen Nahverkehr. Gerade Personen mit niedrigem Einkommen, für die der Erwerb eines „vernünftigen“ Kraftfahrzeugs und die aktuellen Spritpreise unerschwinglich sind, brauchen Alternativen. Dafür setzt bspw. das 49-Euro Ticket der Bundesregierung neue Maßstäbe. Aber wir brauchen auch mehr Geld für den Ausbau der Infrastruktur.

Der Platzverbrauch von 60 Pkw-Insassen, 60 Fußgänger/-innen und 60 Radfahrer/-innen. Foto: Frank Lochau.
Im Internet unter: https://www.l-iz.de/wirtschaft/mobilitaet/2021/09/foto-aktion-am-autofreien-sonntag-in-leipzig-wie-viel-platz-brauchen-unsere-taeglichen-transportmittel-411355

Flächengerechtigkeit

Ich wohne in Essen, mitten im Ruhrgebiet. Es gibt hier wenig Platz, um allen Ansprüchen der Einwohner gerecht zu werden. Ist es dann gerecht, wenn wir den fahrenden und stehenden Autos so viel Platz gönnen? Der Platz muss effizienter und gerechter genutzt werden! Pflanzen, Stadtmöblierung, Haltestellen für den öffentlichen Verkehr könnten lange Reihen geparkter Wagen gut ersetzen und das Umfeld wohnlicher und kühler gestalten, bspw. durch Spielplätze und Parks. Dazu kommen Quartiersgaragen und Logistik-Verteilzentren für die einzelnen Stadtviertel, um auch das Verkehrsaufkommen von Lieferdiensten nachhaltiger zu gestalten.

Das Konzept Micro-Hub im Detail. Von der Initiative Urbane Logistik Hannover.
Im Internet unter: https://useful.uni-hannover.de/konzept-detail?concept=3

Die Uhr tickt

Die Mobilitätswende lässt auf sich warten und das schon zu lange. Der Ausbau des ÖPNVs muss die Weichen stellen für mehr Lebensqualität und Klimaneutralität in unseren Innenstädten. Die Reduktion vieler CO²-Emmissionen tut der Gesundheit gut und ein geringeres Verkehrsaufkommen erhöht die Sicherheit. Der Umbau unserer Städte wird teuer. Aber je länger wir warten, desto teurer wird es. Deswegen sprechen viele Gründe für einen raschen Zeitenwandel in der Mobilität. Mobilität muss für alle gedacht werden! Als Landtagsabgeordnete und Mitglied des Verkehrsausschusses setze ich mich dafür ein, sie auch in Zukunft mobil zu halten. Für soziale, nachhaltige und gerechte Verkehrspolitik.