Wo und wie leben Sie? In einem Ein- oder Mehrfamilienhaus? Haben Sie Balkon? Garten? Wenn uns die Pandemie der letzten drei Jahre eins gelehrt hat, dann, wie wichtig es ist, einen freien Platz in der Natur zu haben. Dort, wo man etwas anderes sieht, als Hauptverkehrsstraßen und Betonbauten. Ich will das, was uns an der Natur so gut tut, in den Großstädten des Ruhrgebiet stärken.
Kleingärten sind spießig, oder?
Vor einigen Jahren noch waren Kleingärten der Inbegriff von Spießigkeit und Vereinsmeierei. Es war völlig unmodern, auf einer eigenen Parzelle oder Scholle Kartoffeln und Stachelbeeren zu ernten und sich mit Obstbaumschnitt und Grünabfällen zu beschäftigen. Das hat sich aber im Zuge des fortschreitenden Klimawandels mit immer heißer werdenden Städten komplett geändert. Nicht nur die frische Luft ist Gold wert, sondern auch die Möglichkeit, wieder etwas rustikaler, also bäuerlicher mit Nahrung und Biologie umzugehen.
Vielfalt der Natur
Diese kleinen grünen Inseln in der Stadt sind einerseits willkommene Freiräume, wenn man es in den eigenen vier Wänden nicht mehr aushält. Aber sie sind noch viel mehr, was oft unbeachtet bleibt. In Kleingärten, Grabeländern oder auch Urban Gardening kann sich die Natur in Teilen wieder das zurückholen, was wir ihr durch Beton und Asphalt genommen wurde. “Unkraut” findet Raum, sich als Pionierpflanzen neue Lebensräume zu erobern. Insekten finden Nektar in Wiesenblumen und Gemüseblüten, ohne vor Windschutzscheiben zu landen. Vögel finden Nistplätze, ohne pestizidvergiftete Insekten an ihre Jungtiere zu verfüttern. Die Biodiversität (biologische Vielfalt) kann nur gedeihen, wenn sich alle Mühe geben, Lebensräume zu schaffen und zu erhalten.
Verfügbarkeit im Supermarkt kontra selbstgezogene Tomaten
Haben Sie schon mal eine selbstgezogene Tomate probiert? Sagen Sie nicht, die Supermarkt-Tomaten schmecken besser als die, die Sie täglich begossen, gepflegt, vor prasselndem Regen geschützt und beim Reifen beobachtet haben. Die Bedürfnisse haben sich verändert. Es ist jetzt nicht mehr wichtig, im Dezember Erdbeeren zu kaufen, sondern vielmehr zur normalen Erntezeit die schmackhaftesten Tomaten auf der eigenen Scholle zu züchten. Die Menschen wollen wieder mehr mit der Natur zu tun haben, zeigen ihren Kindern, wie aus einer Raupe ein Schmetterling wird oder haben Spaß an einem kleinen Kartoffelfeuer im Spätsommer, wenn die selbstgezogenen Kartoffeln aus der Glut geholt werden.
Soziale Funktion
Kleingartenvereine sind auch wichtig für den Zusammenhalt der Menschen. Wenn man Seit an Seit mit seinem Gartennachbarn arbeitet, ist im Schmelztiegel Ruhrgebiet ein gemeinsames Unkrautjäten, Bierchen oder Grillfest nicht weit. Gemeinsames Arbeiten schweißt Menschen zusammen. Das wissen wir seit 100 Jahren, egal, ob es Deutsche, Polen, Italiener, Türken waren. Es ist völlig egal, ob Stangen- oder Buschbohnen wachsen oder die Kartoffeln zu Bratkartoffeln oder Kumpir verarbeitet werden: am Ende zählt, dass es die eigenen sind!
Bedrohungen und Widerstände
Bedroht werden diese Lebensräume von Stadtplanung, Klimawandel und Bürokratie. Deshalb ist es so sehr wichtig, diese kleinen Oasen zu schützen und zu stärken. Ich will auf Landesebene die Rahmenbedingungen in der Städteplanung verändern, damit Kleingartenflächen nicht zu Planungsreserven für den Städtebau werden. Natürlich benötigen wir Häuser und Wohnungen, aber ohne Pantoffelgrün ist Wohnen einfach nur halb so gut und wir bauen uns neue Probleme in die Städte.
Pantoffelgrün in NRW
In Essen haben wir gerade das Kleingartenentwicklungskonzept erstellt, das in seiner Modernität recht einzigartig in NRW ist, aber durchaus Signalwirkung für andere große Städte entwickeln könnte. Darin werden nicht nur die jetzigen Kleingartenflächen bewertet, wie sie mikroklimatisch, städtebaulich und sozialen wirken. Es werden auch neue Flächen vorgeschlagen, um dem Bedürfnis der Menschen in der Großstadt gerecht zu werden. Wir brauchen insbesondere im dicht besiedelten Norden und Westen weitere Flächen und das benötigt ein wenig Anschub aus dem Land.
Kleingärten sind pralles Leben – auch zukünftig!
Ich will daran arbeiten, dass Kleingartenflächen auch zukünftig dazu beitragen, die biologische Vielfalt zu schützen, das Mikroklima zu kühlen und Freiräume zu schaffen. Damit wir tatsächlich auch morgen noch Luft holen, gaukelnden Schmetterlingen zusehen und Luft & Leben in den Städten halten können.